Zurück Interdisziplinäres Forum »Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit und im Übergang zur Moderne«
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Referate der 6. Arbeitstagung, 11. – 13. Februar 2005

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Zwischen Marginalisierung und Emanzipation: Jüdische Alltagskultur im Herzogtum Berg 1780–1850

Bastian FLEERMANN

Als letzter Vortragender stellte Bastian Fleermann (Bonn) sein volkskundliches Dissertationsprojekt zur jüdischen Alltagskultur im ehemaligen Herzogtum Berg 1780-1850 vor und schlug damit die Brücke zur »späten« Neuzeit. Mikrostudien zur deutsch-jüdischen Alltagsgeschichte und -kultur stellen für zahlreiche Regionen des deutschsprachigen Raumes immer noch in weiten Teilen ein Forschungs-Desiderat dar. Wie jüngere Studien aufgezeigt haben, erweist sich die Analyse jüdischer Alltagskultur, auch begriffen als Untersuchung von materieller Sachkultur, habitualisiertem Verhalten (Alltagshandlung und Brauchkultur) sowie der »Identität« einer Minderheit, in Mitteleuropa als lückenhaft, wenngleich es hierzu erste (überregionale) Ansätze gibt.

Das Judentum im Rheinland nimmt hierbei gerade im Zeitraum um 1800 aufgrund rechtlicher, sozialer und kultureller Besonderheiten eine exponierte Stellung ein. Die Juden des rechtsrheinischen Herzogtums Berg waren von der napoleonischen Gesetzgebung und der Politik der ab 1815 einsetzenden preußischen Regierung im besonderen Maße unmittelbar betroffen, da sich ihr Alltag innerhalb dieser massiven Umbruchphase rasch anzupassen und damit immer wieder neuartig zu konstituieren hatte. Juden mit wirtschaftlich innovativen Vorstellungen einer »bürgerlichen Gesellschaft« bot die Zeit des Umbruchs erhebliche Chancen: 1786 wurde der Metzger Samuel Coppel in die »unprivilegirte Solinger Kauffmannschaft« aufgenommen und durfte als »Markt Kramer« einen Stand auf dem Wochenmarkt abhalten. Später spezialisierte er sich auf den Handel mit Messern und Schneidwaren. 1821 gründete sein Enkel, Alexander Coppel, in Solingen eine Fabrik für Stahlwaren, welche bald zu den größten und wichtigsten Betrieben dieser Art in der gesamten Umgebung gehören sollte.

Es bleibt zu diskutieren, ob nach dem Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft der »Heimat»-Begriff neue innerjüdische Definitionsansätze im Bergischen Land erfuhr. Im vormodernen, korporativ bestimmten Gesellschaftsmodell konstruierten die Juden das, was man »Heimat« nennt, ausschließlich innerhalb ihrer religiösen Gemeinschaft. Hier ist zu prüfen, ob sich »Heimat« nun an der Region und ihrem gesamtkulturellen Kontext festmacht. Es entstand nicht eine deutsch-jüdische Symbiose, aber vielleicht doch eine regional-jüdische Identität. Heinrich Heine, der wohl prominenteste Vertreter der Bergischen Juden, schrieb: »Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, und zufällig dort geboren ist, dann wird einem ganz wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren, und es ist mir als müßte ich gleich nach Hause gehn.«

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