Zurück Interdisziplinäres Forum »Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit und im Übergang zur Moderne«
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Referate der 5. Arbeitstagung, 13. – 15. Februar 2004

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Fazit

Rotraud RIES

Einige Themenschwerpunkte wurden in der Einführung wie auch in den Einzeldiskussionen im Anschluss an die Vorträge und in der Schlussdiskussion immer wieder angesprochen und erweisen sich damit als zentral und – so ist zu hoffen – weiterführend für künftige Forschungen. Auch wenn dabei unterschiedliche methodische Zugriffe angesprochen sind, kreisen diese Schwerpunkte doch alle um die sozialen Kontexte von Konversionen.

Neben der religiösen oder religiös-konstruierten Bedeutung kommt einer Konversion als einem Akt des sozialen Handelns, d. h. des Handelns in der Gesellschaft und hier sogar in oder zwischen den Gesellschaften, ein kaum zu überschätzendes Maß an sozialer Bedeutung zu. Dies betrifft vielfach schon ihre Voraussetzungen, v. a. aber die conversio als Akt der Separation und ihre Folgen. Entscheidung zu und Vollzug einer conversio findet statt unter bestimmten kommunikativen Rahmenbedingungen und unter Ausnutzung eines bestimmten Handlungsspielraums. Hier wäre stärker als bisher zu fragen nach den spezifischen Handlungsoptionen und nach ihrer Nutzung im ‚Grenzraum' zwischen den beiden Gesellschaften. Vor dem Hintergrund der Bestimmung des frühneuzeitlichen Verhältnisses zwischen Religiosität und Individualität gewinnt die Frage an Bedeutung, ob und inwieweit die Nutzung des Handlungsspielraums etwas zu tun hat mit individuellem Handeln. Dass eine Konversion meist ein einsames und vereinsamendes Handeln war, liegt auf der Hand.

Die sozialen Folgen einer Konversion betreffen elementar zunächst die Familie. Doch nicht nur in dem gezeigten Sinne (Scheidung – Kinder – Besitz), sondern in zwei weiteren Dimensionen: Die externe betrifft den Ruf der Familie, der unter der Konversion eines Familienmitglieds gelitten zu haben scheint, was unter anderem Auswirkungen auf dem Heiratsmarkt für weitere Familienmitglieder wie etwa Geschwister gehabt zu haben scheint. Und intern gibt es immer wieder Häufungen von Konversionen in einzelnen Familie. Beide sozialen Phänomene dürften dabei zusammen hängen, Türöffnerfunktion in die christliche und Stigmatisierung durch die jüdische Gesellschaft verstärkten die Motivation. Hier entstand ein gesellschaftliches Segment, das zwar noch Teil der jüdischen Gemeinschaft war, von dieser jedoch an den Rand gedrängt wurde und eine erhöhte Durchlässigkeit zur christlichen Gesellschaft aufwies.

Diesem jüdischen Bevölkerungsteil des sozialen Grenzraums standen auf der anderen, schon christlichen Seite die Konvertiten gegenüber, deren Identität und Perzeption noch nicht eindeutig christlich sein konnte. Der soziale Ort der Konvertiten selbst ist ein wichtiges Thema, die Frage nach ihrer Integration und deren konfessionellen und sozialen Bedingungen. Möglicherweise bestanden hier Unterschiede zwischen einer Konversion in katholischem oder in protestantischem Umfeld, vielleicht auch Abhängigkeiten vom geographischen und politischen Raum. Möglicherweise gab es auch unter Konvertiten bereits vor dem 18. Jahrhundert so etwas wie eine Gruppenbildung zwischen den beiden Gesellschaften, als ein »Konvertitenmilieu«, weil toleriert, deutlichere Konturen annahm. Das Konvertitenmilieu des 18. Jahrhunderts, das sich wesentlich über Konnubium konstituierte, ist benannt; doch bislang wissen wir viel zu wenig darüber, auch und gerade über seinen sozialen Ort in der Gesellschaft.

Die Publikation eines Teils der Beiträge in einem Themenheft der Zeitschrift Aschkenas (hg. von Jutta Braden und Rotraud Ries) wird vorbereitet.

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