Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Vorerst zum letzten Mal fand im Februar 2009 die Arbeitskreistagung des Interdisziplinären Forums »Jüdische Geschichte und Kultur in der Frühen Neuzeit und im Übergang zur Moderne« im Film - Funk - Fernseh-Zentrum der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf statt, wie in den vorangegangenen Jahren betreut durch Katja Kriener (Studienstelle Christen und Juden der EKiR). Vorbereitet und geleitet wurde die Tagung von Dr. Rotraud Ries (Berlin) und Prof. Dr. Birgit Klein (Heidelberg). Das Thema lautete:
Jüdische Räume in der Frühen Neuzeit – Perspektiven nach dem »spatial turn«
Nicht erst seit gestern ist der »Raum« als historisch-kulturwissenschaftliches Forschungsfeld en vogue, der »spatial turn« auf der theoretischen Ebene in viele Richtungen durchdekliniert. Wenn wir uns also des Themas »Jüdische Räume« annehmen, mag man unterstellen, wir liefen einer Mode hinterher. Doch uns kommt es auf die Chancen an, die diese Diskussion bietet: Wir können nicht allein die theoretischen Reflexionen des »spatial turn« nutzen, sondern auch die inzwischen erzielten praktischen Forschungsergebnisse heranziehen, um das Potential des »spatial turn« für die jüdische Geschichte der Frühen Neuzeit fruchtbar zu machen.
Die »Raumdiskussion« der Geschichtswissenschaft der letzten Jahre ist interdisziplinär orientiert und gehört in den Kontext der kulturalistischen Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften (Doris Bachmann-Medick). Dabei wurden und werden vor allem die Ansätze der Raumsoziologie stark rezipiert. Diese setzte dem herkömmlichen, starren und exklusiven, als Container definierten Raummodell ein relationales, handlungs- und wahrnehmungsorientiertes, flexibles Konzept polymorpher, konkurrierender und sich überlagernder Räume entgegen (Martina Löw). Entstand hieraus zunächst ein scharfer Antagonismus zwischen beiden Raummodellen, so hört man inzwischen relativierende Töne in Richtung einer pragmatischen Koexistenz (Markus Schroer). Das Potential des »spatial turn« liegt jenseits des ja nicht wirklich neuen Blicks auf den Raum v.a. darin, die soziale Konstruktivität von Räumen in den Fokus der Forschung zu rücken, ihnen eine Erfahrungs- und eine Wahrnehmungsebene zu geben.
Auf die jüdische Geschichte der langen frühen Neuzeit bezogen ergeben sich daraus eine Fülle von Themenkomplexen, die auch im Vergleich zur christlichen Umwelt an eigenem Profil gewinnen und damit Rückschlüsse auf die spezifische Raumkonstitution von gesellschaftlichen Minderheiten erlauben.
Eine Zusammenfassung der Vorträge auf der Grundlage der Abstracts der Referentinnen und Referenten finden Sie hier.
Rotraud Ries und Birgit Klein
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